Etappe (fast) geschafft. Eigentlich war mein Ziel Nyíregyháza im Osten von Ungarn, direkt bis nach Breb zu dem (hoffentlich) wundervollen Campingplatz in România wären es 554 km gewesen, das war mir zu viel. Also wenigstens eine Nacht wollte ich Ungarn ermöglichen. Jetzt nächtige ich in einem Zimmer für schlappe 4,50€ weil 1. der Boden in dieser sehr wasserreichen Gegend so dermaßen aufgeweicht ist (von oben und unten und ich in dem ungarischen Weinanbaugebiet schlechthin bin in Tokaj, an sovielen Weinverkostung-Stop-In bin ich vorbeigefahren), das ich keine Lust habe mein Zelt aufzuschlagen und 2. das mein Reisebudét hergibt und das OBWOHL ich mich langsam an meine Luftmatratze gewöhnt habe. Das war wohl die 1. Nacht auf ihr, wo meine Knochen rebelliert haben und mein Kopf/Körper hat sich nun einfach notgedrungen angepaßt, egal, die letzte Nacht auf ihr war gut, ich habe tief und fest geschlafen, nur wie immer sehr kurz. Um 5:30 Uhr war aufstehen angesagt. Scheinbar reicht mir der wenige Schlaf und sein unbezahlbarer Vorteil, ich habe so früh einfach alles für mich: die Duschen, die Klo’s (sehr wichtig), die Küche (die ich nicht brauche, aber es wäre meine alleine), die aufwachende Natur und diese besondere Ruhe. Begleitet vom Zischen der ersten Espressobrühung und dem dazugehörigen wunderbaren Duft, dem ich hoffentlich niemals überdrüssig werde, ist das einfach meine Zeit. Außerdem und das ist gerade nicht zu verachten, sind die Temperaturen so früh einfach erträglich, das macht das Zusammenpacken von Zelt und Plünnen nicht schon schweißtreibend bevor ich auf Tour bin. Sobald die Sonne über die Bäume wackelt, wird es heiß und dann in die Kniestrümpfe, Stiefel und fetten Motorradklamotten, puh, das muss echte Liebe sein oder ich bin total bescheuert?! Erst beim ersten Fahrwind wird es einigermaßen erträglich und seit gestern bleibt das Halstuch im Tankrucksack, der Kragen der Jacke offen, wie auch die Reißverschlüsse an der Hose! Jeder Windzug ist ein Segen!
Ich bin froh, bei meinem Bauchgefühl geblieben zu sein, die Slowakei ‘nur’ als Transitland zu nehmen. Die letzten 50-100 Kilometer vor der Grenze zu Ungarn war die Armut so fühl- und greifbar, die Dörfer hatten nichts außer Häuserruinen, im Unterschied zum mittleren oder nördlichen Teil der Slowakei, dort gab es immer mal wieder Ruinen, aber die Dörfer zeugten von Leben oder zumindestens ein wenig Teilhabe, so waren die letzten Dörfer vor der Grenze Niemandsland, bewohnt von vermutlich Sinti und Roma’s. Ich kann mich irren, aber die dunkle Hautfarbe und diese wunderbaren intensiven, fast schwarzen Augen bringe ich mit ihnen in Verbindung, die Art der Frauen mit der Kippe im Mund den Kinderwagen zu schieben, klasse und dann diese beeindruckenden schwarzen Haare. Soviele Familienverbunde waren auf einmal auf den Dorfstraßen zu sehen, in den 4 Ländern vorher ist mir dies nicht begegnet, da spielt das Leben (meistens) in den eigenen vier Wände ab. Aber eben trotz diese sichtbare Armut, die Häuser in einem ruinösen Zustand, keine Gärten, keine Zäune, nur wenige Autos… Es hat mir gezeigt, Bezitz hat nichts mit dem Lebensgefühl zu tun, mit Teilhabe oder Kommunikation. Vielleicht sogar mit dem Gegenteil, ist der Mensch gewollten oder ungewollten befreit von Besitz, von materiellen Gütern, dann spielt die Interaktion zwischen Menschen, also das Zwischenmenschliche eine größere Rolle und eben auch über die eigenen 4 Wände hinweg. Ein wenig hat mich das, was ich im Grenzbereich der Slowakei gesehen habe, an meine DDR-Vergangenheit und unserem Leben in der Stadt aber besonders in den Dörfern erinnert, man kannte sich, man grüßte, hielt ein Schnack miteinander, grillte zusammen, draf sich am Badesee, dem Wäscheplatz, der Dorfkneipe, zum Einmachen (nene nicht was du jetzt denkst… -einwecken oder einkochen) vor dem Konsum oder der Kaufhalle. Das Gefühl welches sich bei diesen Erinnerung breit macht, hat mich durch dieses Grenzgebiet fahren lassen, ein schönes, ein heimisches, ein beruhigendes Gefühl. Leider hatte ich Muffensausen anzuhalten um Fotos zu machen, da komme ich mir doch ehr wie eine vor, die einfach Glück hatte in einem anderen Breitengrad das Licht der Welt erblicken zu haben, die dann daher kommt um die Knipse zu zücken. In solchen Momenten finde ich’s zum kotzen, das ich deren Sprache nicht beherrsche um mit ihnen in Kontakt zu treten. Auf meiner Rücktour will ich dort aber wieder entlang, mit hoffentlich mehr Mut.
Der Grenzübergang war sowas von unspektakulär, nicht mal nen Schild über die geforderten Straßentempolimits und Mautpflicht. NICHTS. Ich vermute aber, das mein Navi mich auf einem parallelen, kleinen, sehr kleinen Sträßchen geführt hat und ich, da ich als Grundeinstellung “Autobahnen und Mautstrecken vermeiden” angegeben habe, deshalb den “grünen Grenzübergang” nehmen dürfte. Gleich im nächsten Dorf auf ungarischer Seite waren die Häuser wieder schick, die Vorgärten sehr gepflegt, die Straßen hervorragend UND an jedem Laternmast hing ne Geranie. Komischerweise habe ich mich sofort sicherer, geborgener und willkommener gefühlt! Diese gefühlsmäßige Diskrepanz zwischen der Slowakei und besonders ihren letzten Orten vor der Grenze und den hübschen Dörfern in Ungarn ist, ohne es weiter benennen zu können, vermutlich auch ein Grund meiner Reise nach Rumänien. Ich will wissen, warum es das mit mir macht, was es macht! Andererseits ist so ein aufgeräumtes Dorf irgendwie für mich ein Zeichen einer intakten Gemeinschaft, schwer zu beschreiben, aber ich stehe darauf, wenn Mann/Frau Anteil nimmt und zwar über den eigenen Gartenzaun hinweg. In den ersten ungarischen Dörfern konnte ich Straßenszenen erleben, da war mir klar, warum es da so schick und sauber und aufgeräumt aussieht, da standen Gruppen von putzenden Menschen mit Feger und Rechen in der Hand, die vermutlich zum Billiglohn über die Grenze kamen, angewiesen von, natürlich, großen und hellhäutigen ungarisch sprechenden Männern.
Jetzt drifte ich aber ab. Zurück zur Tagesetappe. Heute waren es 326 km, insgesamt hab ich jetzt 1.365km runter und mein Hintern tut dolle weh, dafür hat meine Navi heute ganz wunderbare Bergstraßen und Dörfer für mich herausgesucht, das war ein Spaß. Aber wenn ich morgen in Breb, also in Rumänien!! -juhu, auf diesen niederländischen Campingplatz ankomme, freue ich mich, mal nen Tag nicht unterwegs zu sein und wenn’s dort schön ist, dann bleibe ich vielleicht auch länger und werde von dort, mal ganz ohne Gepäck und Last die Gegend erkunden oder auch einfach nur in der Hängematte dösen. Ich freue mich so dermaßen auf Rumänien, echt komisch, aber schön.
Anmerkung Nr. 1: Die Menschen in der Slowakei und bisher in Ungarn machen es mir echt schwer zu menscheln. Sie haben so eine Verschlossenheit und Skepsis mir, oder vielleicht allem Fremden gegenüber, das packe ich nicht, nicht wenn’s auch noch Sprachhürden gibt. Wobei die junge Wirtin gestern auf dem ‘friendly’-Campground, die war toll, wir beide mit unserem gebrochenen Englisch haben herzhaft gelacht und mit Händen und Füßen geht alles. Kopfschütteln über meine Tour alleine als Frau ist einfach international.
Anmerkung Nr. 2: Mein Zimmer hatte ein ganz eigenartiges Schließsystem, welches sich mir erst nach 3 Bier und einem Erinnerungsblitz erschloss und mich bis dahin schier verzweifeln ließ. Ick bin zu doof ne Tür uff zu machen, Schlüssel rein, rumdrehen und Klinke runterdrücken! Wat is da so schwer dran?? Tja: Man muss, bevor man den Schlüssel dreht, die Türklinke nach oben (!sic) machen und dann erst schließen. Irgendwann an diesem Abend, als ich nach eben diesen 3 Bier ins Zimmer wollte und versuchte und versuchte und versuchte diese verdammt Tür zu öffnen, viel es mir wie Schuppen von die Glubscher. Ich hatte im “Netz der Netze” (also da wo du auch gerade bist, um diese Sätze zu lesen) einen Bericht über eine Rumänientour gelesen und der Autor hat in Ungarn an einem Campingplatz Station gemacht und von seinem Erlebnis mit einem besonderen Türschloss berichtet. BINGO! Lesen macht doch schlau! Dit war mein Campingplatz und meine komische Tür! Er beschrieb genau das gleiche Problem die Tür nicht aufzubekommen, eine Tür, die jeder Logik widersprach! Danke lieber Unbekannter, durch deine Schmerzlichen Erfahrungen und deinen eigenen schieren Selbstzweifeln, an einem Türschloß zu scheitern, wußte ich, was ich tun muss, um Einlaß zu bekommen :-))!! Deinen Bericht muss ich unbedingt wieder heraussuchen und hier posten.
Habe heute viel gesabbelt, sorry. Die Einsamkeit schlägt von hinten zu.
Die Bilder: Heute morgen dachte ich mir noch, schauste mal nach dem Kühlwasser, hui, da konnten noch 1-2 Schluck rein. Dort hinter die Berge, da wollte mein Navi hin. Meine Streckenplanung auf Google-Map und dann angekommen, Zimmer ist die Treppe rauf, aber erstmal Abendbrot am Wasser und nen Bierchen. Prost.
Ich dachte mir, schauste mal nach dem Wasserstand in deinem Töff, kann ja nicht schaden… …puh. Wasser marsch. Das war knapp und mein Gefühl, mal nachzuschauen, auch wenns schwer zu erreichen ist und die halbe Verkleidung abgebaut werden muss. Was soll ich dazu schreibe? Außer Berge, Straße und Einsamkeit!! Genau richtig für mich!
Das sind die 326km von heute, Slowakei nach Ungarn. Bin froh, auf mein Bauchgefühl gehört zu haben! Der Eingang zum, naja, klar, Campingplatz… Die Treppe rauf, da hab ich für die eine Nacht in Ungarn ein Zimmer. Es riecht etwas eigenartig süßlich, normalerweise ertrage ich solch einen geruch nicht und schon garnicht, darin eine Nacht zu schlafen, aber auf dieser Tour scheint alles zu gehen. Außerdem hatte dieses Zimmer eine eigenartige Art des Türschlosses/klinke, echt verwirrend.
Eine sehr wasserreiche Gegend dieses Weinanbaugebiet in Tokaj, aber ich bin dann doch lieber beim Bier geblieben.
[Anmerkung Nr. 3 von der Redakteurin (also icke): Tag 4 bis 9 konnte ich erst nach meiner Rückkehr online stellen, weil ich entweder zu faul war zum schreiben (trifft nisch janz zu) oder ich mehr Energie auf meine Facebookstatusmeldungen gelegt habe (trifft zu) und die mitgeführte Technik ein einfaches paste© nicht zugelassen hat (trifft janz doll zu, dank iPad :-()]